Die Heimat des Lernens – Zum Nutzen von Heimvolkshochschulen für Persönlichkeits- und Gemeinwesenentwicklung

Im Zeitraum Oktober 2011 – März 2013 hat die ArtSet Forschung Bildung Beratung GmbH im Auftrag des Nds. Landesverbandes der Heimvolkshochschulen eine Studie zu Profil, Bildungsverständnis, gesellschaftlichem Nutzen und Entwicklungsperspektiven der Niedersächsischen HVHS durchgeführt. Dabei wurde u.a. in zahlreichen Interviews mit HVHS-Leiterinnen und -Leitern sowie Dozent/innen das Selbstverständnis der HVHS herausgearbeitet. Mit einer Online-Studie, an der sich 298 Personen beteiligten, wurde der hier formulierte Anspruch mit der Perspektive der Teilnehmenden abgeglichen. Am 26. April 2013 wurden im Stephansstift im Hannover die wichtigsten Ergebnisse der Studie präsentiert. Die Kurzfassung ist zum kostenlosen Download hier hier verfügbar. Im kompletten Umfang ist die Studie aktuell im Oktober 2014 im wbv-Verlag erschienen und kann hier bezogen werden.

hvhs_logo_netletter_02Heimvolkshochschulen sind Bildungseinrichtungen mit einem besonderen Profil und einer langen Tradition: 1844 wurde die erste Heimvolkshochschule im dänischen Ort Rödding gegründet, als Ort des gemeinsamen Lernens für breite Schichten der Bevölkerung, vor allem aber für die Bauern, die den Hauptanteil der Bevölkerung stellten. Schon früh waren eine mehrmonatige Unterrichtsdauer und infolgedessen eine gemeinsame Unterbringung in Internatsform Wesensmerkmale der HVHS, mit denen sie sich von anderen Bildungseinrichtungen unterschieden. Wie die Studie gezeigt hat, bildet dieses Konzept des Lebens und Lernens unter einem Dach noch heute das wichtigste Fundament für das Selbstverständnis und die Identität der HVHS.

Mit diesem Konzept verbinden sich einige wichtige Eigenschaften von Bildungsprozessen an HVHS:

  • Die Teilnehmenden können sich dem Lernprozess mit ausreichend Zeit und Konzentration widmen.
  • Der Austausch mit anderen Teilnehmer/innen im Seminar bildet einen festen Bestandteil dieses Lernprozesses.
  • Ein Aspekt, der von den Teilnehmenden besonders geschätzt wird, ist die Möglichkeit, sich an HVHS einem Thema mit Abstand zum Alltag zu widmen.
  • Die hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeitenden sind nicht nur für die Organisation der Bildungsarbeit verantwortlich, sondern sie sind als Dozent/innen und Expert/innen für das jeweilige Thema das Seminars selbst in den Gruppen aktiv.

Diese gemeinsamen Merkmale des Lernsettings sind eng verbunden mit einer gemeinsamen inhaltlichen Ausrichtung, einem gemeinsamen Bildungsverständnis und einer gemeinsamen Wertegrundlage: An HVHS werden schwerpunktmäßig Veranstaltungen zu Themen angeboten, die in das Themenfeld der sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit fallen. Mit dieser gemeinsamen thematischen Ausrichtung korrespondieren auch gemeinsame Werte, auf denen sich die Arbeit der HVHS gründet. In den Interviews wurden übereinstimmend Menschenrechte / Menschenwürde, Selbstverantwortung und Toleranz / Akzeptanz als Kern des Menschenbildes der HVHS genannt; wichtigste gesellschaftliche Werte sind die Übernahme von Verantwortung, Solidarität und Teilhabe.

Hinter diesem Themenprofil sowie dem Menschen- und Gesellschaftsbild der HVHS stehen zwei bildungstheoretische Leitvorstellungen:

  1. der soziale Aktivbürger (bzw. die soziale Aktivbürgerin) im Sinne von Detjen, der / die sich für die Gesellschaft engagiert, indem er ihr / sein Handeln im alltäglichen Zusammenleben als citoyen im Sinne von Rousseaus contrat social gemeinsinnorientiert gestaltet.
  2. der reflektierte und im humanistischen Sinne gebildete Mensch.
    Vor dem Hintergrund dieser beiden Leitvorstellungen versteht sich Bildung an HVHS immer als Gleichklang von Persönlichkeitsbildung und politischer Bildung. Vor dem Hintergrund dieses Bildungsverständnisses diskutiert die Studie den Nutzen der HVHS für Teilnehmende, Region und Gesellschaft. Abschließend werden Spannungsfelder und Handlungsmöglichkeiten in Zeiten sich wandelnder Bildungsgewohnheiten aufgezeigt.